5:1 Ich komm in den Garten, zu dir, meine Braut!
5:11 Ich lag im Schlaf, jedoch mein Herz blieb wach.
5:12 Da klopft's! Ich weiß: Mein Freund steht vor der Tür.
5:13 »Mach auf, mein Schatz, mach auf, ich will zu dir!
5:14 Mein Täubchen, öffne doch, lass mich hinein!
5:15 Mein Haar ist nass vom Tau der kühlen Nacht.«
5:16 »Ich habe doch mein Kleid schon ausgezogen
5:17 und müsst es deinetwegen wieder anziehn.
5:18 Auch meine Füße habe ich gewaschen;
5:19 ich würde sie ja wieder schmutzig machen!«
5:20 Durchs Fenster an der Tür greift seine Hand;
5:21 ich höre, wie sie nach dem Riegel sucht.
5:22 Mein Herz klopft laut und wild. Er ist so nah!
5:23 Ich springe auf und will dem Liebsten öffnen.
5:24 Als meine Hände nach dem Riegel greifen,
5:25 da sind sie feucht von bestem Myrrhenöl.
5:26 Schnell öffne ich die Tür für meinen Freund;
5:27 doch er ist fort, ich kann ihn nicht mehr sehn.
5:28 Mein Herz steht still, fast tötet mich der Schreck!
5:29 Ich suche meinen Freund, kann ihn nicht finden.
5:30 Ich rufe ihn, doch er gibt keine Antwort.
5:31 Die Wächter finden mich bei ihrem Rundgang.
5:32 Sie schlagen ohne Mitleid auf mich ein
5:33 und reißen mir den Umhang von den Schultern.
5:34 Ihr Mädchen alle, ich beschwöre euch:
5:35 Wenn euch mein Freund begegnet, sagt ihm doch,
5:36 die Liebessehnsucht macht mich matt und krank!
5:38 du schönste aller Frauen!
5:39 Wer ist es, den du suchst?
5:42 dass du uns so beschwörst?
5:43 Mein Liebster ist blühend und voller Kraft,
5:44 nur einer von Tausenden ist wie er!
5:45 Sein schönes Gesicht ist so braun gebrannt,
5:46 sein Haar dicht und lockig und rabenschwarz.
5:47 Die Augen sind lebhaften Tauben gleich.
5:48 Ganz weiß sind die Zähne, als hätten sie
5:49 gebadet in Bächen von reiner Milch.
5:50 Die Wangen sind Beete voll Balsamkraut,
5:51 die herrlichsten Würzkräuter sprießen dort.
5:52 Wie Lilien leuchtet sein Lippenpaar,
5:53 das feucht ist von fließendem Myrrhenöl.
5:54 Die Arme sind Barren aus rotem Gold,
5:55 mit Steinen aus Tarschisch rundum besetzt.
5:56 Sein Leib ist ein Kunstwerk aus Elfenbein,
5:57 geschmückt mit Saphiren von reinster Art.
5:58 Die Beine sind marmornen Säulen gleich,
5:59 die sicher auf goldenen Sockeln stehn.
5:60 Dem Libanon gleicht er an Stattlichkeit,
5:61 den ragenden Zedern an Pracht und Kraft.
5:62 Sein Mund ist voll Süße, wenn er mich küsst –
5:63 ja, alles an ihm ist begehrenswert!