19:2 »Wie lange redet ihr noch auf mich ein?
19:3 Wie lange wollt ihr mich mit Worten quälen?
19:4 Ihr habt mich nun schon viel zu oft beschimpft
19:5 und schämt euch nicht, mich zu beleidigen.
19:6 Wenn ich unwissend einen Fehler machte,
19:7 dann bin doch ich allein davon betroffen.
19:8 Ihr aber spielt euch auf als meine Richter,
19:9 nehmt meine Leiden als Beweis der Schuld.
19:10 Seht ihr nicht ein, dass Gott mir Unrecht tut?
19:11 Mit einem Netz hat er mich eingefangen.
19:12 Ich schrei um Hilfe, aber niemand hört.
19:13 Ich will mein Recht, doch keiner steht mir bei.
19:14 Den Weg sperrt Gott mir ab, ich kann nicht weiter;
19:15 er lässt mich mitleidslos im Dunkeln tappen.
19:16 Gott hat mir meinen Wohlstand fortgenommen
19:17 und meine Ehre in den Schmutz getreten.
19:18 Ringsum reißt er mich ein wie eine Mauer,
19:19 wie einen Baum entwurzelt er mein Hoffen,
19:20 schickt mich hinunter in die Totenwelt*.
19:21 Sein ganzer Zorn ist gegen mich entbrannt,
19:22 er setzt mir zu, als wäre ich sein Feind.
19:23 Geschlossen rückt sein Heer zum Angriff vor,
19:24 rings um mein Zelt errichtet es sein Lager.
19:25 Gott hält selbst meine Brüder von mir fern,
19:26 Bekannte tun, als wär ich ihnen fremd.
19:27 Die Freunde und Verwandten bleiben aus,
19:28 sie alle haben mich ganz schlicht vergessen.
19:29 Die Gäste meines Hauses und die Mägde
19:30 behandeln mich wie einen völlig Fremden,
19:31 als käme ich aus einem fernen Volk.
19:32 Mein Knecht gibt keine Antwort, wenn ich rufe;
19:33 um jeden Dienst muss ich ihn lange bitten.
19:34 Mein Atem ist für meine Frau Gestank
19:35 und meine Brüder ekeln sich vor mir.
19:36 Selbst Kinder haben keine Achtung mehr;
19:37 quäl ich mich hoch, so machen sie sich lustig.
19:38 Die engsten Freunde zeigen nichts als Abscheu.
19:39 Ich liebte sie, doch sie befehden mich.
19:40 Nur Haut und Knochen sind an mir zu sehen
19:41 und mein Gesicht gleicht einem Totenkopf.
19:42 Ihr seid doch meine Freunde! Habt Erbarmen!
19:43 Was mich zu Boden schlug, war Gottes Hand!
19:44 Warum verfolgt ihr mich so hart wie er?
19:45 Habt ihr mich denn noch nicht genug gequält?
19:46 Ich wünschte, jemand schriebe alles auf,
19:47 dass meine Worte festgehalten würden,
19:48 mit einem Meißel in den Fels gehauen,
19:49 mit Blei geschwärzt, damit sie ewig bleiben!
19:50 Doch nein, ich weiß, dass Gott, mein Anwalt, lebt!
19:51 Er spricht das letzte Wort hier auf der Erde.
19:52 Jetzt, wo die Haut in Fetzen an mir hängt
19:53 und ich kein Fleisch mehr auf den Knochen habe,
19:54 jetzt möchte ich ihn sehn mit meinen Augen,
19:55 ihn selber will ich sehen, keinen Fremden!
19:56 Mein Herz vergeht in mir vor lauter Sehnsucht!
19:57 Ihr überlegt, wie ihr mich quälen könnt
19:58 und in mir selbst den Grund des Übels findet.
19:59 Doch seht euch vor, dass euch das Schwert nicht trifft;