21:2 »Wenn ihr doch einmal richtig hören wolltet!
21:3 Denn damit könntet ihr mich wirklich trösten!
21:4 Ertragt mich doch, gestattet mir zu reden;
21:5 dann mögt ihr weiterspotten, wenn ihr wollt!
21:6 Beklag ich mich denn über einen Menschen?
21:7 Warum verliere ich wohl die Geduld?
21:8 Seht mich doch an, dann werdet ihr erschaudern,
21:9 ihr legt die Hand vor Schrecken auf den Mund.
21:10 Wenn ich dran denke, was geschehen ist,
21:11 dann fang ich an, am ganzen Leib zu zittern.
21:12 Warum lässt Gott die Bösen weiterleben?
21:13 Sie werden alt, die Kraft nimmt sogar zu.
21:14 Gesichert wachsen ihre Kinder auf,
21:15 mit Freuden sehen sie noch ihre Enkel.
21:16 Kein Unglück stört den Frieden ihrer Häuser,
21:17 sie kriegen Gottes Geißel nie zu spüren.
21:18 Ihr Stier bespringt die Kühe nicht vergebens,
21:19 die Kühe kalben leicht und ohne Fehlwurf.
21:20 Frei wie die Lämmer laufen ihre Kinder
21:21 und ihre Jugend tanzt und springt vor Freude.
21:22 Sie singen laut zu Tamburin und Leier,
21:23 sind voller Fröhlichkeit beim Klang der Flöte.
21:24 Im Glück verbringen sie ihr ganzes Leben
21:25 und sterben einen sanften, schönen Tod.
21:26 'Lass uns in Ruhe', sagen sie zu Gott,
21:27 'von deinem Willen wollen wir nichts wissen!
21:28 Bist du so mächtig? Müssen wir dir dienen?
21:29 Was nützt es eigentlich, zu dir zu beten?'
21:30 Sie glauben, ihres Glückes Schmied zu sein.
21:31 Doch ihre Art zu denken liegt mir fern!
21:32 Wie oft hast du es eigentlich erlebt,
21:33 dass es erloschen ist, das Licht der Bösen?
21:34 Wie oft geschieht es, dass sie Unglück trifft?
21:35 Hat Gott sie je in seinem Zorn gestraft?
21:36 Wann sind sie denn wie Stroh im Wind gewesen?
21:37 Wann hat der Sturm sie fortgeweht wie Spreu?
21:38 Ihr habt gesagt, dass Gottes Strafgericht
21:39 die Kinder für die Schuld des Vaters trifft.
21:40 Das ist nicht recht! Den Vater soll es treffen;
21:41 der Schuldige soll auch die Strafe tragen!
21:42 Er selbst soll seinen Untergang erleben
21:43 und Gottes Zorn am eigenen Leibe spüren!
21:44 Ob es den Kindern gut geht oder schlecht,
21:45 das kümmert ihn nicht mehr nach seinem Tod.
21:46 Muss Gott vielleicht noch unterwiesen werden,
21:47 er, der Gericht hält über Hoch und Niedrig?
21:48 Der eine bleibt gesund bis an sein Ende;
21:49 dann stirbt er, frei von Sorgen und im Frieden,
21:50 der Körper wohlgenährt, die Glieder stark.
21:51 Der andere stirbt verbittert und enttäuscht,
21:52 weil er vom Glück nichts abbekommen hat.
21:53 Nun liegen sie zusammen in der Erde,
21:54 ein Heer von Würmern deckt sie beide zu.
21:55 Ich weiß genau, wie ihr jetzt weiterdenkt;
21:56 euch geht's ja nur darum, euch durchzusetzen.
21:57 'Was ist denn aus dem reichen Mann geworden?',
21:58 fragt ihr. 'Was blieb denn noch von seinem Haus?'
21:59 Habt ihr denn nie mit Reisenden gesprochen
21:60 und nie gehört, was sie berichtet haben?
21:61 Am Tag, wenn Gott Gericht hält voller Zorn,
21:62 ist der Verbrecher stets in Sicherheit.
21:63 Wer wagt es, ihm sein Unrecht vorzuhalten?
21:64 Wer zahlt ihm heim, was er verbrochen hat?
21:65 Mit allen Ehren trägt man ihn zum Friedhof,
21:66 an seinem Grab hält man die Totenwacht.
21:67 Unübersehbar ist sein Leichenzug,
21:68 sogar die Erde deckt ihn freundlich zu.