2:1 Ach! Wie hat doch der Herr in seinem Zorn
2:2 die Tochter Zion in Wolkendunkel gehüllt!
2:4 vom Himmel zur Erde geschleudert
2:5 und an den Schemel seiner Füße nicht gedacht
2:7 Der Herr hat vertilgt und nicht verschont
2:9 in seinem Grimm hat er niedergerissen
2:10 die Festungen der Tochter Juda;
2:11 zu Boden geworfen und entweiht hat er
2:12 ihr Königreich samt ihren Fürsten.
2:13 In seinem grimmigen Zorn schlug er ab
2:15 er zog seine rechte Hand zurück vor dem Feind
2:16 und hat Jakob in Brand gesteckt
2:17 wie ein flammendes Feuer,
2:18 das ringsum alles verzehrt.
2:19 Er spannte seinen Bogen wie ein Feind,
2:20 er stellte sich mit seiner Rechten wie ein Widersacher hin
2:21 und machte alles nieder, was lieblich anzusehen war;
2:22 ins Zelt der Tochter Zion
2:23 goss er seinen Grimm aus wie Feuer.
2:24 Der Herr ist wie ein Feind geworden;
2:26 alle seine Paläste vernichtet;
2:27 er hat seine Festungen zerstört
2:29 viel Seufzen und Wehklage bereitet.
2:30 Er hat seine Hütte verwüstet wie einen Garten,
2:31 den Ort seiner Festversammlungen hat er zerstört;
2:33 die Festtage und Sabbate in Vergessenheit gebracht
2:34 und König und Priester verworfen
2:35 in seinem grimmigen Zorn.
2:36 Der Herr hat seinen Altar verabscheut,
2:37 sein Heiligtum verworfen;
2:38 er hat der Hand des Feindes preisgegeben
2:39 die Mauern ihrer Paläste;
2:40 sie haben im Haus des HERRN Lärm erschallen lassen
2:42 Der HERR hatte sich vorgenommen,
2:43 die Mauern der Tochter Zion zu zerstören;
2:44 er spannte die Messschnur aus,
2:45 er zog seine Hand nicht zurück, bis er sie vertilgt hatte;
2:46 Bollwerk und Mauer versetzte er in Trauer;
2:47 kläglich liegen sie miteinander da.
2:48 Ihre Tore sind in den Erdboden versunken,
2:49 ihre Riegel hat er zerstört und zerbrochen;
2:50 ihr König und ihre Fürsten sind unter den Heiden;
2:51 es ist kein Gesetz mehr da,
2:52 auch bekommen ihre Propheten
2:53 keine Offenbarung mehr vom HERRN.
2:54 Die Ältesten der Tochter Zion,
2:55 sie sitzen schweigend auf der Erde;
2:56 sie haben Staub auf ihr Haupt gestreut
2:57 und sich mit Sacktuch umgürtet;
2:58 die Jungfrauen von Jerusalem,
2:59 sie senken ihr Haupt zur Erde.
2:60 Meine Augen sind ausgeweint,
2:62 mein Herz schmilzt in mir
2:63 wegen des Zusammenbruchs der Tochter meines Volkes,
2:64 weil Kind und Säugling verschmachten
2:65 auf den Straßen der Stadt!
2:68 als sie wie tödlich Verwundete dahinschmachteten
2:69 auf den Straßen der Stadt,
2:70 als sie den Geist aufgaben
2:72 Was soll ich dir zusprechen,
2:75 Was setze ich dir gleich,
2:76 damit ich dich trösten kann,
2:77 du Jungfrau, Tochter Zion?
2:78 Dein Schaden ist ja so groß wie das Meer!
2:80 Deine Propheten, sie haben dir
2:81 erlogenes und fades Zeug geweissagt;
2:82 sie deckten deine Schuld nicht auf,
2:83 um dadurch deine Gefangenschaft abzuwenden,
2:84 sondern sie weissagten dir Aussprüche
2:85 voll Trug und Verführung.
2:86 Alle, die auf dem Weg vorübergehen,
2:87 schlagen die Hände zusammen über dich;
2:88 sie zischen und schütteln den Kopf
2:89 Über die Tochter Jerusalem:
2:90 »Ist das die Stadt, von der man sagte,
2:91 sie sei der Schönheit Vollendung,
2:92 die Wonne der ganzen Erde?«
2:94 sperren ihr Maul gegen dich auf,
2:95 sie zischen und knirschen mit den Zähnen;
2:96 sie sagen: »Jetzt haben wir sie vertilgt!
2:97 Das ist der Tag, auf den wir hofften;
2:98 jetzt haben wir ihn erreicht und gesehen!«
2:99 Der HERR hat vollbracht, was er sich vorgenommen hatte;
2:100 er hat sein Wort genau erfüllt,
2:101 das er von alters her hat verkündigen lassen;
2:102 er hat schonungslos zerstört;
2:103 er hat den Feind über dich frohlocken lassen
2:104 und das Horn deiner Widersacher erhöht.
2:105 Ihr Herz schreit zum Herrn!
2:106 Du Mauer der Tochter Zion,
2:107 lass Tränenströme fließen
2:110 dein Augapfel raste nicht!
2:111 Steh auf und klage in der Nacht,
2:113 Schütte dein Herz wie Wasser aus
2:114 vor dem Angesicht des Herrn!
2:115 Hebe deine Hände zu ihm empor
2:116 für die Seele deiner Kinder,
2:117 die vor Hunger verschmachten
2:119 HERR, schau her und sieh:
2:120 An wem hast du so gehandelt?
2:121 Sollten denn Frauen ihre eigene Leibesfrucht essen,
2:122 die Kinder ihrer liebevollen Pflege?
2:123 Sollten wirklich Priester und Propheten
2:124 erschlagen werden im Heiligtum des Herrn?
2:125 Auf den Straßen liegen am Boden hingestreckt
2:127 meine Jungfrauen und meine jungen Männer,
2:128 sie sind durchs Schwert gefallen;
2:129 du hast sie erwürgt am Tag deines Zornes,
2:130 du hast sie schonungslos niedergemacht!
2:131 Wie zu einem Festtag hast du zusammengerufen
2:132 alles, was ich fürchtete, von allen Seiten,
2:133 und nicht einer ist entkommen oder übrig geblieben
2:134 am Tag des Zornes des HERRN.